Histroische Aufnahme mehrerer Militärangehöriger und Krankenschwestern, die vor einem Zug posieren.

Revolution 1918-1919 im Tal der Wupper – Teil 2

Der Durchzug der Truppen durch Wuppertal und ihre Entwaffnung nach dem Ende des 1. Weltkrieges (22.11. – 8.12.18)

Mitte November lag die deutsche Armee auf ihrem Rückweg von der Westfront in die Heimat am Rhein. Die Wuppertaler Zeitungen verkündeten „Am 17. November wird mit dem Durchmarsch der VI. Armee zu rechnen sein.“ Auf bis zu täglich zehntausende durchziehende Soldaten, die verpflegt und z.T. einquartiert werden mussten, musste sich die Stadt vorbereiten. Neben der logistischen Herausforderung entspann sich eine Debatte um den Empfang der Soldaten.

Der „General-Anzeiger“ (GA) rief dazu auf, die Truppen wie während des Krieges mit den Reichsflaggen zu grüßen. Auch die Schülerkapellen, „die zu Kriegsbeginn und später so oft ihre Dienste in der Truppenbetreuung geleistet hätten, brannten darauf, die Zurückkehrenden wieder zu empfangen.“ Der Arbeiter- und Soldatenrat hielt das für unpassend. Auch über die Flaggen, mit denen man die Truppen begrüßen sollte, entstand eine Kontroverse. Die Flagge des deutschen Kaiserreiches wurde vom Arbeiter- und Soldatenrat untersagt. Die rote Fahne sei die Fahne des neuen Deutschlands. Als Kompromiss erlaubten die „neuen Machthaber“, so der GA, das Hissen der weiß-roten Fahnen des Bergischen Landes.

Der Arbeiter- und Soldatenrat organisierte in Kooperation mit der Stadtverwaltung die Unterbringung der Truppen in Schulen, öffentlichen Gebäuden, leeren Fabrikräumen und in den großen Vergnügungssälen der Städte. Zahlreiche Verpflegungsstationen wurden entlang der Durchzugsstraßen eingerichtet. Der Bedarf an zusätzlichen Nahrungsmitteln war gewaltig. In der Großbäckerei der Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ in Barmen wurden in diesen Tagen bis zu 50.000 Brote täglich gebacken – eine zuvor nie erreichte Leistung. In Vohwinkel hatte man im alten Bahnhof das frühere Lazarett wieder in Betrieb genommen. Trotz des Verbots des Schleichhandels mit Heeresgut hatte sich auf dem freien Feld um die Herderstraße herum eine Verkaufs- und Tauschstelle etabliert, auf der nicht nur Pferde und Kraftwagen gehandelt wurden. „Für einige Wochen glich das Wuppertal, dessen Straßen voller Militärfahrzeuge und Kanonen standen, einer großen Garnison.“

Entgegen den Erwartungen erreichten die ersten geschlossenen Formationen erst am 22. November die Stadt. „In langen, langen Zügen“ kamen von Westen her, aus Köln über Haan und Vohwinkel „Artillerie- und Munitionskolonnen und Bagageautos durch, denen mit klingendem Spiel die Infanterie folgte. Alle wurden von der Bevölkerung freudig begrüßt.“ „Die Jugend kletterte auf die Wagen und Pferde und freute sich über die Freundschaft der Soldaten, (…) die durchweg den besten Eindruck machten.“ Der General- Anzeiger schilderte den Empfang, so wie er solche Empfänge oder Abschiede auch während des Krieges geschildert hatte. Entgegen dem Verbot hingen an den meisten der (Bürger-) Häuser an den Durchzugsstraßen die gewohnten schwarz-weiß-roten Fahnen, berichtete der GA mit einer gewissen Genugtuung.

Vom Truppendurchmarsch waren fast alle bergischen Städte betroffen. In Ronsdorf hatte sich im Flaggenstreit der Arbeiter- und Soldatenrat mit seinen Weisungen durchgesetzt. Von hier wurde berichtet, dass ab dem 24. November an drei aufeinander folgenden Tagen „ununterbrochenen, Tag und Nacht“ die Truppen, vor allem Bayrische Truppen, durch die Stadt zogen. Auch hier marschierten die Truppen „in tadelloser Ordnung, teilweise mit klingenden Spiel.“ „Die Häuser trugen reichen Schmuck von Laubgewinde und Flaggen, und auf Anordnung des Arbeiter- und Soldatenrates sichtbar mit roten Wimpeln.“ Und trotz dieser für die Offiziere sicherlich ungewohnten Begrüßung dankten die Kommandeure „für die vorzügliche und herzliche Aufnahme.“ Die Sicherungspatrouillen der Arbeiterräte standen in dieser Zeit vor schwierigen Aufgaben. Es galt, die Machtverhältnisse, die in der Heimat durch die Revolution geschaffen worden waren, den von der Revolution nicht erfassten Truppenteilen im Westen zu verdeutlichen und zu wahren. Drei Berichte verdeutlichen die Situation:

Am 27.11.1918 berichtete der Generalanzeiger, hätten in Vohwinkel Offiziere des Feldartillerie-Regiments Nr. 4 die roten Fahne herab geholt und den dortigen Arbeiter- und Soldatenrat verhaftet. Als man in Elberfeld davon erfuhr, sandte der Arbeiter- und Soldatenrat umgehend eine Abteilung Soldaten in einem Extrazug der Schwebebahn nach Vohwinkel. Das Kommando befreite den Arbeiter- und Soldatenrat der Stadt. Am nächsten Tag wurden dann der Vohwinkler Bürgermeister Bammel, der Beigeordnete Muthmann und der Fabrikant Homann durch den ASRat verhaftet und in ihren Wohnungen „interniert“. Der Bürgermeister wurde seines Amtes enthoben, das nun von dem Stellvertreter kommissarisch ausgeübt wurde. Das Rathaus wurde abgesperrt. Der Arbeiterrat vermutete einen abgesprochenen Versuch, die Machtverhältnisse zu ändern. Der GA berichtete, die Verhaftung sei erfolgt, weil die genannten Personen ein Schild am zentralen Kaiserplatz entfernt hätten. Das Schild trug die Inschrift: “Willkommen ihr tapferen Krieger der Reaktion, in der Heimat grüßt Euch die Revolution.“ Die Folge war der passive Widerstand sämtlicher Beamten. Schon nach kurzer Zeit kehrten der Bürgermeister und die Beigeordneten wieder zurück auf ihre Posten.

Am 7. Dezember brannte eines der Soldatenquartiere, der Saal des Wuppertaler Hofes an der Schwebebahnstation Hammerstein vollständig nieder. Eine „letzte Erinnerung an den Abmarsch der Truppen“, schrieb der GA. Am 8. Dezember zogen die letzten Truppen aus ihren Quartieren ab. Die neutrale Zone, zu der Ronsdorf, Elberfeld und Barmen gehörten, musste laut Vereinbarung mit den Siegermächten bis zum 10. Dezember von Militärverbänden geräumt sein. Zugleich rückten die Truppen der Siegermächte an den Stadtrand von Vohwinkel. Am 2. Dezember besetzten die Belgier die Nachbarstadt Haan, am 13. Dezember die Briten den Landkreis Solingen. Das Wuppertal lag nun in der nicht besetzten, aber entmilitarisierten „neutralen Zone“. Die Grenze, bewacht von Soldaten, zog sich entlang der Wupper von Kohlfurth in Cronenberg, an Gräfrath vorbei und quer durch Vohwinkel. Am 4. Januar wurde diese Grenze sogar kurzfristig komplett abgeriegelt. Doch auch in der neutralen Zone, in der die Wupperstädte lagen, war der Einfluss der Besatzungsmächte zu spüren. Am 30. Dezember verfügten die Elberfelder Polizeibehörden, der Oberbürgermeister und der Arbeiterrat auf Anweisung der Alliierten das Verbot sämtlicher Militärschusswaffen und Militärmunition. Waffen und Munition, – einschließlich Handgranaten – mussten bis zum 2. Januar bei den Polizeibezirksstellen abgegeben werden. Personen, wie weiterhin über Militärwaffen verfügten, drohten sowohl nach deutschem Recht als auch von den Besatzungsbehörden schwere Strafen.


Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem gerade erschienenen Buch zum 100- jährigen Jubiläum der Ereignisse: Reiner Rhefus: „Empor aus Nacht zum Licht..“ Die Revolution von 1918–1919 im Wuppertal – Schauplätze, Ereignisse und Akteure. 454 Seiten, etwa 250 Abbildungen, Preis 24,95€ . Im Buch- und Zeitschriftenhandel erhältlich.