Historische Abbildung eines Nachrufes.

Revolution 1918-1919 im Tal der Wupper – Teil 1

Der Umsturz der Macht nach dem 1. Weltkrieg in den kleineren Städten; hier Vohwinkel.

Ähnlich wie in Barmen und Elberfeld vollzog sich die Machtübernahme in den heute zu Wuppertal gehörenden kleineren, damals selbständigen Städten Ronsdorf, Cronenberg und Vohwinkel. Sie gehörten zum Reichstagswahlkreis Remscheid-Lennep- Mettmann und wurden im Reichstag von dem linken Sozialdemokraten Wilhelm Dittmann vertreten. Hier war es den Sozialdemokarten z.T. schon einige Jahre früher als in Barmen und Elberfeld gelungen, Sitze in den Stadtparlamenten zu erringen. Hier gab es sozialdemokratische Stadtverordnete, die allgemein bekannt und anerkannte Vertreter der Arbeiterschaft waren, so etwa Peter Betzold in Ronsdorf und Hermann Herberts sen. in Cronenberg, die nun in den von der Revolution geschaffenen Arbeiterräten tragende Rollen übernahmen.

In Ronsdorf wurde, nachdem die Nachricht von der Revolution auch dorthin gelangt war, am 9. November in einer vorbereitenden Versammlung ein Arbeiter- und Soldatenrat gewählt. Vorsitzender wurde Peter Betzold (1874-1957), der schon seit 1905 als Sozialdemokrat im Ronsdorfer Stadtrat saß. Im Anschluss begab sich ein Ausschuss zum Rathaus, um dort die Machtübergabe auf friedlichem Wege zu regeln. Die Stadtverordnetenversammlung, die noch nach dem preußischen Dreiklassenwahlrecht gewählt worden war, wurde ihrer Funktion enthoben. Auf dem Markplatz fand eine Kundgebung statt, auf der sowohl der Ronsdorfer Bürgermeister Staas als auch Peter Betzold Ansprachen hielten. Vor dem Rathaus, auf dem Denkmal des Vorplatzes, wurde die rote Fahne gehisst. Auf Anordnung des Arbeiter- und Soldatenrates ruhte an diesem Tag in den meisten Betrieben die Arbeit.

Erst zwei Tage später, am Montag, dem 11. November, erschien dann ein Aufruf an die Bevölkerung: „Die Lebensmittelläger stehen unter den Schutz des Arbeiter- und Soldatenrates. Die Ausübung der Polizeigewalt wird von heute ab von den Organen des Arbeiterund Soldatenrates und dem Polizeiexekutivbeamten gemeinsam versehen. Diese haben die Aufgabe, durch Posten und Patrouillen die öffentliche Ruhe aufrecht zu erhalten. Die Wirtschaften sind ab 10 Uhr zu schließen. Personen die sich ab 12 Uhr nachts auf den Straßen befinden, müssen im Besitz einer Legitimation des Arbeiter- und Soldatenrates sein.“

Unter dem Aufruf stand eine offizielle Erklärung des Bürgermeister Staas, er erkenne den Arbeiter- und Soldatenrat an und erkläre sich mit der gesamten städtischen Verwaltung zur Mitarbeit bereit. Der Arbeiter- und Soldatenrat erhielt ein Büro im Rathaus (Zimmer 10). Im Haus Decker richtete die Militärkommission ein Büro und Lager ein, in dem die Waffen abgeliefert werden mussten.

Einige Tage später wurde durch ein Telegramm der preußischen Regierung am 13. November der Stadtverordnetenversammlung erlaubt, unter der Aufsicht des Arbeiterund Soldatenrates ihre Arbeit fortzuführen. So wurde die Revolution durch in die preußische Regierung eingetretene Sozialdemokraten administrativ geregelt.

Die selbständige Stadt Vohwinkel, damals zugleich der Sitz des Landratsamtes für den Landkreis Mettmann, erreichte die Revolution am Sonntag, den 10. November. Richard Woldt, Redakteur der „Freien Presse“ in Elberfeld, war vom Elberfelder Arbeiter- und Soldatenrat nach Vohwinkel gesandt worden, um dort die neuen Machtverhältnisse zu etablieren. Er wurde auf dem Bahnhof von revolutionären Soldaten und einem provisorisch gewählten Arbeiter- und Soldatenrat empfangen, zum Marktplatz und von dort nach einer kurzen Ansprache zum Rathaus und zum Landratsamt geleitet. „Auf dem Turm des Rathauses und dem Regierungsgebäude des Landrates wurde die rote Fahne aufgesteckt“. Man brachte überall ein Hoch auf die Republik auf. Als der Arbeiter- und Soldatenrat im Rathaus seinen Sitz genommen hatte, lud man sowohl den Bürgermeister als auch den Landrat ins Rathaus. Nach diesem Gespräch wurde offiziell verkündet, dass „sich beide Behörden in den Dienst der neuen Bewegung stellen“ würden. Der neue Rat benötigte fünf Tage, bis er sich mit sechs arbeitsfähigen Fach-Kommissionen konstituiert hatte. Der Arbeiter- und Soldatenrat bestand aus je neun Vertretern der Arbeiterschaft und neun Vertretern der Soldaten. Neben den Kommissionen für Militärische Angelegenheiten, für Sicherheit und Verkehr, Lebensmittelversorgung und Übergangswirtschaft und Arbeitsangelegenheiten wurde auch eine Kommission für „Frauenhilfe“ eingerichtet. Wie in Elberfeld gab es auch einen Kommissar, der die Aufgabe hatte, die Verbindung zum Bürgermeister und dem Gemeinderat herzustellen. Diese Aufgabe übernahm Julius Benninghofen. Benninghofen, zugleich Vorsitzender des ASR, war seit Jahrzehnten im Aufbau der SPD in Vohwinkel engagiert. Bei der Parteispaltung 1917 hatte er sich zur USPD geschlagen und stand nun den Unabhängigen in Vohwinkel vor.

Nun begann eine Doppelherrschaft. Bürgermeister und Beigeordnete blieben jedoch im Amt. In Vohwinkel hatten einige der Inhaber der größten Industriebetriebe, der Homann-Werke, der Fahrzeugwerke C. Blumhardt und der Maschinenfabrik H. Schirp, zugleich einflussreiche politische Posten als ehrenamtliche Beigeordnete (Muthmann) oder Stadtsekretäre.

Um Willkürhandlungen des Arbeiter- und Soldatenrates vorzubeugen, wurde öffentlich verkündet, dass alle Anweisungen an Betriebe oder Geschäfte vom gesamten Arbeiterund Soldatenrat beschlossen und vom Vorsitzenden unterzeichnet sein müssten. Insbesondere wurde auf den reibungslosen Betrieb der Eisenbahn geachtet. Vohwinkel war ein Kreuzungspunkt wichtiger Eisenbahnlinien und der westliche Drehpunkt für den Eisenbahnverkehr ins Wuppertal und weiter nach Dortmund. Der Rücktransport der Soldaten und Verwundeten musste reibungslos funktionieren. Eingriffe wurden als schweres Verbrechen geahndet. Die Mitglieder des AS-Rates wurden mit eigenen roten Ausweisen ausgestattet.

Wie anderswo mussten auch in Vohwinkel die noch vorhandenen Waffen abgeben werden. Personen, die sich nach 9 Uhr abends noch auf den Straßen aufhielten, mussten beim ASR einen Passierschein beantragen. Das Büro für diese Angelegenheit befand sich in der Gaststätte von Michael Mucha in der Gustavstraße 7.


Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem gerade erschienenen Buch zum 100- jährigen Jubiläum der Ereignisse: Reiner Rhefus: „Empor aus Nacht zum Licht..“ Die Revolution von 1918–1919 im Wuppertal – Schauplätze, Ereignisse und Akteure. 454 Seiten, etwa 250 Abbildungen, Preis 24,95€ . Im Buch- und Zeitschriftenhandel erhältlich.