Michael Kühle steht neben einem Filmplakat zu "Alois Nebel" in Bahneruniform

Monografie einer Leidenschaft

Wie wird man Bahn affin?

Mein Urgroßvater, mütterlicherseits, diente als Lockführer der preußischen Staatsbahnen, Klg. Direkt. Elberfeld. Mein Großvater, mütterlicherseits, war Lockführer der preußischen Staatsbahn, der Militäreisenbahn 1914-18, der französischen Regie Bahn, der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft ab 1924, Oberlokführer der deutschen Reichsbahn bis 1946, danach frühe Bundesbahn bis 1950, Bahndirektion Wuppertal.

Meine Mutter wurde ab 1939 zur Arbeit „dienstverpflichtet“ im technischen Büro der Reichsbahndirekt. Wuppertal, bis ca. 1947.

Mein Vater wollte Eisenbahn Ingenieur werden, durfte er aber nicht, er musste Pharmazie studieren, um die elterliche Apotheke zu übernehmen (Engel Apoth. Elberfeld) . Dennoch begeisterte er sich weiterhin für die Bahn. So wurde er früh Mitglied im Verein deutscher Eisenbahnfreunde des berühmten Eisenbahnfotografen Carl Bellingrodt (Barmen). Auf diesen Sonderfahrten der 50/60 er Jahre lernte ich die große Welt der Bahn kennen.

Wenn ich zur TH nach Aachen fuhr, sah ich in Geilenkirchen Bf häufig einen dampfende Schmalspurlok, diese wurde vorher in Bw Vohwinkel aufgearbeitet. Im Bf. Aachen West lagen Prospekte aus, wonach ich Mitglied der Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr wurde. Sie betrieben die später bekannte Selfkantbahn. Also begann ich die Ausbildung zum Schaffner, später zum Zugführer für nicht bundeseigene Eisenbahnen. Somit diene ich ehrenamtlich bald 48 Jahre der Bahn und hab immer noch Spaß.

Michael Kühle leitet eine Führung im Bahnhof Vohwinkel

Non Scholae, sed Vitae discimus!?

Fragte ich kleiner Stropp meinen Opa: „Erzähl mal was vom Krieg.“ Antwortete er: „Von welchem?“ So erfuhr ich nach und nach, dass es zwei Kriege, die französische Besatzung, danach amerikanische/britische Besetzung gegen hatte. Opa war froh, seine Erlebnisse und Erfahrungen dieser Zeit mitzuteilen. Fasziniert löcherte ich später meine Eltern und bekam weitere Zeitzeugenberichte. Diese Themen ließen mich nicht mehr los.

Kurz vor dem Abitur waren wir in Geschichte etwa beim Ersten Weltkrieg gestrandet. Die Neuzeit rasselte man in Referaten runter. Sehr frustrierend.

Vorher gab`s immer mal Schüleraustausch. Warum nannten die Holländer uns „Moffen“, die Franzosen „ Boche“ und die Engländer „Jerry“?

In Englands Buchhandlungen entdeckte ich Festmeter Regale mit Geschichtsliteratur, dort biss ich mich fest. Während des Studiums besuchte ich die Unibibliotheken und fand neben Bahnliteratur viele historische Bücher des 19. und 20. Jahrhunderts! Der Bücherwurm liest immer noch!

Jäger und Sammler

Michael Kühle verkauft Tickets in Bahneruniform

Vom Opa erbete ich Fotos, Postkarten und historische Belege. Auf den frühen Flohmärkten fand man viele zeitgeschichtliche Dinge für kleines Geld. Mit Bahnkollegen tauschte man Uniformen, Mützen, Schilder und Abzeichen. Im Lauf der Jahre konnte ich einigen Museen helfen, bahnspezifische Dinge für Ausstellungen beizusteuern.

Zum Beispiel mehrfach für die Selkantbahn, zu Jubiläen oder speziellen Themen.

Rheinmuseum Emmerich: Bahnjubiläum mit historischen Uniformen, Mützen, Kursbüchern usw. Museum Römer Opladen: Preußische Eisenbahnuniform für Ausstellungen 1914-18

Bürgerbahnhof Vohwinkel: Bahnuniformen und weitere Untesilien.

Historisches Zentrum: Ausstellung Revolution 18/19 in Wuppertal (Empor aus Nacht zum Licht). Historische Artefakte, der Wanderschläge, Fotos, Abzeichen, Lehrtafeln.

Und nun lauert in knapp drei Jahren das Jahr 2023 — vor genau 100 Jahren ereignete sich die französische Besetzung Vohwinkels (1923). Da scharre ich mit den Füßen und spähe nach Memorablia jeder Art aus dieser Zeit. Natürlich muss das in Vohwinkel ganz groß als Deutsch-Französisches Freundschafts-Fest gefeiert werden. Endlich ist die unsägliche sogenannte „Erbfeindschaft“ überwunden, wir sind friedlich, freundliche Nachbarn und halten als Europäer gemeinsam zusammen. Und wie so häufig sterben die Zeitzeugen leider weg und die Erben erkennen nicht den historischen Wert des Materials und bestellen den Container!


Text und Bilder: Michael Kühle